Generatives Design „Die KI wird Mitglied des Entwicklungsteams.“

Bild: Autodesk
02.11.2017

Künstliche Intelligenz soll dem Menschen in Zukunft immer mehr Aufgaben abnehmen: Seine Autos fahren, seine Texte übersetzen und seine Daten sortieren. Mit generativem Design soll KI nun auch in eine der Kerndomänen des Ingenieurs vordringen, in die Entwicklung. Wie das funktioniert und was das für den Designprozess bedeutet, erklärt Mickey McManus, Visiting Research Fellow bei dem Softwareunternehmen Autodesk, im E&E-Interview.

E&E:

Herr McManus können Computer kreativ sein?

Mickey McManus:

So weit würde ich aktuell noch nicht gehen. Zur Zeit werden wir bei der Entwicklung und der Planung von Maschinen, Geräten oder auch Bauwerken immer öfter mit einer riesigen Menge an Daten konfrontiert. Die könnte ein Mensch niemals im Kopf behalten. Menschen sind einfach nicht besonders gut darin, sehr viele Variablen gleichzeitig einzubeziehen. Computer können das besser. Deshalb wird beim generativen Design der Computer Mitglied des Entwicklungsteams. Aktuell nur als Helfer. Auf lange Sicht halte es aber durchaus für realistisch, dass Computer kreativ werden.

Was genau ist generatives Design?

Beim generativen Design bestimmt der Entwickler die Ziele eines Projekts und die Parameter, die eingehalten werden müssen. Mit ihnen füttert er dann eine künstliche Intelligenz. Aus den Vorgaben erstellt diese dann viele verschiedene Designvorschläge.

Man gibt dem Computer als nur Ziele und bestimmte Auflagen vor und dieser kümmert sich dann um das Design?

Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber im Grund stimmt das. Der Entwickler definiert das Problem und bestimmt die Vorgaben. Auf dieser Grundlage berechnet der Computer viele verschiedene Vorschläge, wie zum Beispiel das fertige Bauteil oder Gerät aussehen könnte. Diese Vorschläge schaut der Entwickler dann durch und überprüft, ob sie seinen Vorstellungen entsprechen. Ist das nicht der Fall, kann er die ursprünglichen Vorgaben verändern oder auch neue hinzufügen. Oft stellt man zum Beispiel fest, das wichtige Parameter zu Beginn vergessen wurden. Aus den geänderten Vorgaben erzeugt der Computer dann wiederum neue Designvorschläge. Dieser Prozess wird solange wiederholt, bis der Entwickler mit dem Ergebnis zufrieden ist. Man kann sich das Ganze als riesige visuelle Entwicklungsumgebung vorstellen, die einem tausende von unterschiedlichen Designs zeigt, ein Ozean an Ideen, aus dem man nur die gewünschte auswählen muss.

Haben sie ein Praxisbeispiel dafür?

Ein gutes Beispiel ist meines Erachtens das Hack-Rod-Projekt an dem wir beteiligt waren. Bei diesem sollte das Chassis eines Hotrod-Automobils mit Hilfe von generativen Design verbessert werden. Dazu wurde das Fahrzeug mit Sensoren ausgestattet und es wurden mehrere Testfahrten in der Mojave-Wüste in den USA durchgeführt. Die dabei gewonnen Daten, zum Beispiel die Belastung des Chassis und die Hirnströme des Fahrers, haben wir dann in unsere Software Dream- catcher eingespeist. Dazu kamen noch die Ziele für das Chassis, etwa die gewünschte Belastbarkeit und das geplante Material. An Hand dieser Daten hat die künstliche Intelligenz der Software dann verschiedene Designs berechnet. Diese haben die Entwickler überprüft und wiederum Anpassungen an den Vorgaben vorgenommen. Das führte zu neuen Vorschlägen der Software. Am Ende kam ein um 20 Prozent leichteres Chassis als das ursprüngliche heraus, obwohl es aus dem selben Material gefertigt wurde.

Beim generativen Design sind Ingenieure also nicht für die eigentliche Entwicklung verantwortlich, sondern vor allem dafür, welche Ziele das Projekt hat und welche Daten die KI dafür benötigt?

Genau. Die Hauptaufgabe von Ingenieuren wird es in Zukunft sein, festzulegen was das Ergebnis der Entwicklung sein soll. Was eine Maschine oder ein Bauteile bewirken soll und welche Anforderungen es erfüllen muss, zum Beispiel in Bezug auf das Gewicht, die Langlebigkeit aber natürlich auch die Kosten. Wie die Ziele unter den gegebenen Voraussetzungen am besten erfüllt werden, errechnet dann eine künstliche Intelligenz.

Das bedeutet ein deutliches Umdenken bei der Entwicklung.

Auf jeden Fall. Das wird meines Erachtens auch ein großes Problem werden. Probleme zu identifizieren, lehren wir nicht an den Schulen und Universitäten. Die große Frage wird aber zukünftig sein: Was bringt unsere Entwicklung eigentlich dem Nutzer oder Käufer? Das Ziel zu definieren, wird die Kernkompetenz des Designs. Einen großen Vorteil davon sehe ich auch darin, dass mehr Quereinsteiger Produkte entwerfen können. Wenn die KI das konkrete Design übernimmt, senkt das die Hürden für Fachfremde. Dann kommt es viel stärker darauf an, welche Einfälle die Menschen haben.

Generatives Design ist also auch besonders für Start-ups interessant?

Auf jeden Fall. Eine der Visionen dahinter ist es, mehr Menschen die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen umzusetzen. Was wäre, wenn in Zukunft drei junge Erfinder in einer Garage ein Auto entwickeln könnten? Aus heutiger Sicht hört sich das erst mal verrückt an. In Verbindung mit den Möglichkeiten, die 3D-Druck in Zukunft bietet, ist es das aber überhaupt nicht. Durch additive Fertigung wird es viel einfacher und günstiger werden Prototypen zu bauen und auch die fertigen Produkte zu produzieren. Und mit generativem Design eben einfacher sie zu entwickeln.

Ist das nicht eher eine Zukunftsvision?

Das wird schneller gehen als man denkt. Ich rechne damit, dass in 5 Jahren die ersten fertigen Anwendungen und Tools dafür verfügbar sind.

Sprechen wir über die Technik dahinter. Generatives Design beruht auf künstlicher Intelligenz. Solche neuronalen Netze müssen für ihre Einsatzgebiete speziell trainiert werden. Übernehmen das die Nutzer selbst oder planen Sie bereits vorbereitete KIs anzubieten?

Das ist zur Zeit einer unser Schwerpunkte, auf die wir uns konzentrieren. Wir wissen zum Beispiel sehr viel über Maschinenbau, Ingenieurwesen und Produktion. Dieses Wissen nutzen wir um die KI zu trainieren. Die Fein- abstimmung muss aber dann natürlich der Nutzer selbst vornehmen. Schließlich wissen wir nicht, welche speziellen Anforderungen er hat. Die passende Analogie ist vielleicht die eines Kindes, dessen Ausbildung wir bis in das Teenageralter übernehmen. Den weiteren Lebensweg bestimmt dann der Nutzer selbst. Er beginnt aber auf jeden Fall nicht bei Null.

Neben der Software benötigt KI auch eine zugehörige Hardware. Werden die Nutzer diese selbst bereitstellen müssen oder wird die KI auch über die Cloud nutzbar sein?

Wir bieten bereits seit Jahren viele unserer Produkte über die Cloud an und halten das für einen deutlich sinnvolleren Weg, als wenn die Kunden ihren eigenen Server kaufen müssen. Wir versuchen den Zugang für den Kunden besonders einfach zu machen. Steckt er zum Beispiel mitten in einem Projekt und benötigt mehr Rechenleistung, kann er diese einfach hinzuschalten.

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