Hochreiner Stick- oder Sauerstoff Gaseproduktion vor Ort für die unterbrechungsfreie Halbleiterfertigung

Die Herstellung hochreiner Gase direkt vor Ort ermöglicht stabile Produktionsprozesse und vermeidet Unterbrechungen, die zu teuren Ausfällen oder Qualitätsproblemen bei der Halbleiterfertigung führen können.

Bild: publish-industry, DALL·E
03.01.2025

Halbleiter bilden heute die technologische Basis nahezu aller Neuheiten und Anwendungen. Dabei steht die Halbleiterindustrie vor der ständigen Schwierigkeit, eine gleichbleibend hohe Qualität ihrer Produkte sicherzustellen. Eine Schlüsselrolle spielen dabei hochreine Gase, die in nahezu jedem Produktionsschritt – Materialbeschichtung, Materialabtrag und Materialdotierung – eingesetzt werden. Besonders effizient lassen sich diese Reinstgase in komplexen Luftzerlegungsanlagen direkt vor Ort beim Halbleiterproduzenten herstellen.

In Sachsens Mikroelektronik-Cluster Silicon Saxony wird jeder dritte Chip Europas produziert. Hier hat sich in Ottendorf-Okrilla bei Dresden auch ein Experte für die On-site-Gasproduktion in der Halbleiterindustrie angesiedelt. Der Industriegasespezialist Air Liquide Electronics (ALE) baut Luftzerlegungsanlagen, welche die für die Halbleiterproduktion benötigten Reinstgase – etwa hochreinen Stickstoff oder Sauerstoff – direkt am Standort der Chiphersteller erzeugen. „100 Prozent der in Dresden produzierten Chips enthalten Gase von Air Liquide Electronics“, sagt Wolfgang Steiner, Geschäftsführer des Gasespezialisten. Mit ihrer kontinuierlichen, unterbrechungsfreien Gasversorgung haben diese On-site-Anlagen einen signifikanten Einfluss auf die komplexen Prozesse in der Halbleiterherstellung.

„Um unsere Präsenz in der Region zu stärken und noch näher an unseren Kunden und Partner zu sein, haben wir jetzt auch ein Büro am Flughafen in Dresden eröffnet“, sagt Steiner.

Sicherheit und Umweltbilanz haben Priorität

„Sicherheit ist ein integraler Bestandteil der Kultur bei Air Liquide. Alle Mitarbeiter werden von den zwölf lebensrettenden Regeln (life saving rules) geleitet, bei denen es keine Kompromisse gibt“, sagt Dr. Julia Buchsbaum, Environment, Health & Safety Manager bei ALE.

Die Herstellung hochreiner Gase direkt vor Ort ermöglicht stabile Produktionsprozesse und vermeidet Unterbrechungen, die zu teuren Ausfällen oder Qualitätsproblemen bei der Halbleiterfertigung führen können. Gleichzeitig werden CO2-Emissionen reduziert, da hier keine Lieferwege anfallen/Lieferwege wegfallen.

So arbeiten die Vor-Ort-Produktionslösungen

„On-site-Luftzerlegungsanlagen sind hochkomplexe Prozessanlagen. Um diese sicher und in der geforderten Qualität rund um die Uhr produzieren zu lassen, brauchen Techniker und Ingenieure viel Erfahrung und Training“, so Stefan Lindt, Director Operations bei Air Liquide Electronics. Vereinfacht gesagt, saugen Luftzerlegungsanlagen die Umgebungsluft an, verdichten sie und kühlen sie schrittweise ab, um die einzelnen Komponenten in der Luft, die Gase, zu verflüssigen. Da die Luftbausteine jeweils unterschiedliche Siedepunkte haben, verflüssigen sie sich nacheinander. So können Verunreinigungen wie Staub entfernt und die benötigten Gase, wie etwa hochreiner Stickstoff oder Sauerstoff, voneinander getrennt werden.

Die Reinheitsgrade können dabei je nach Gas- und Qualitätsanforderung bis zu 99,999999 Prozent erreichen. Diese hohe Reinheit ist entscheidend, da selbst kleinste Verunreinigungen die empfindlichen Herstellungsprozesse und die Qualität der Halbleiterprodukte beeinträchtigen können: „Unsere Kunden in der Halbleiterindustrie haben die höchsten Ansprüchen an Qualität und Verfügbarkeit“, so Lindt.

Vom Konzept bis zur Inbetriebnahme

Die Implementierung der technisch komplexen Systeme erfordert eine sorgfältige Planung, spezialisiertes Fachwissen und eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Halbleiterproduzenten und dem Anlagenhersteller. Bevor eine Luftzerlegungsanlage geplant werden kann, liefert der Chiphersteller einen detaillierten Anforderungskatalog: Welche Gase und Gasmengen sollen produziert werden und in welcher Qualität? Wie viel Platz steht für die Anlage zur Verfügung? Ab wann soll produziert werden?

Zu klären sind auch die Beschaffenheit des Baugrunds, Windlasten sowie Energie- und Kühlwasserversorgung. Aus all diesen Angaben wird ein Versorgungskonzept entwickelt, aus dem hervorgeht, welche Maschinen, Tanks und Backupkapazitäten erforderlich sind. Die Herstellung aller Komponenten dauert anschließend bis zu zwei Jahre; das Prozedere zur Inbetriebnahme der Anlage mehrere Monate.

Flexibilität und Skalierbarkeit durch modulares Anlagendesign

On-site-Luftzerlegungsanlagen sind so konzipiert, dass sie möglichst wenig der oft begrenzten industriellen Fläche beanspruchen und nahtlos in die bestehende Infrastruktur und Produktionsprozesse des Halbleiterwerks integriert werden können. Daher haben sie ein modulares Design und können je nach Bedarf unterschiedliche Größen sowie Kapazitäten aufweisen. So lassen sich die Luftzerlegungsanlagen an das Wachstum des Herstellers und die sich ändernden Anforderungen des jeweiligen Werks anpassen.

Versorgungssicherheit auch bei Wartung oder Ausfällen

Um die Versorgungssicherheit der Vor-Ort-Anlagen rund um die Uhr zu gewährleisten, werden sie mit redundanten Komponenten und Backup-Systemen ausgestattet. Dies ermöglicht den kontinuierlichen Betrieb auch bei Wartungsarbeiten oder beim Ausfall einzelner Teile. „Es ist wichtig, dass die Luftzerlegungsanlagen bei den Chipherstellern 24/7 hochreine Gase in der geforderten Qualität und Menge produzieren“, erklärt Stefan Lindt und fährt fort: „Fällt die Gasproduktion bei einem Hersteller komplett aus, könnte das einen wochenlangen Halbleiterfertigungsstillstand und damit extreme Kosten bedeuten.“

Damit das Ausfallrisiko minimiert wird, werden die Anlagen stets im Blick gehalten. Durch kontinuierliche Fernüberwachung, regelmäßige Inspektionen und vorbeugende Wartungsmaßnahmen werden potenzielle Probleme frühzeitig erkannt und behoben – noch bevor es zu Ausfällen kommt. Um Wartungsarbeiten, eventuelle Reparaturen oder Fehlerbehebungen schnell und reibungslos durchzuführen, ist eine intensive und detaillierte Planung gemeinsam mit dem Halbleiterproduzenten erforderlich: „Wir stehen täglich in direktem Austausch mit den Chipherstellern. Aus den Gesprächen entwickeln wir kontinuierlich neue Ansätze, um die Anlagen noch effizienter und zuverlässiger zu betreiben“, so Lindt. Sollte es trotz der Sicherheitsmaßnahmen zu einem kompletten Stillstand einer Anlage kommen, besteht zudem jederzeit die Möglichkeit, die Gase vorübergehend per Tankwagen anzuliefern.

Die Herausforderung bei Luftzerlegungsanlagen ist deren effizienter Betrieb zur Trennung von Luft in ihre Bestandteile Stickstoff und Sauerstoff. Stefan Lindt beschreibt: „Wir betreiben mittlerweile zehn solcher On-Sites für das sächsische Halbleitercluster Silicon Saxony. Diese sichern die Versorgung mit technischen Gasen vor Ort ab. Die Anlagen werden so geplant, dass sie möglichst energieeffizient betrieben werden. Zudem wird der Energieverbrauch durch permanente Verbesserungen an den tatsächlichen Bedarf angepasst. Solche Maßnahmen tragen in der Summe zu einer Verringerung der Energiebilanz der Chiphersteller bei.

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