Eisen statt Platin Edelmetalle adé: Haben sie bald ausgedient?

Edelmetalle als Katalysatoren abzulösen und durch Eisen & Co zu ersetzen ist international zu einem attraktiven Forschungsthema geworden.

Bild: LIKAT/Danny Gohlke
19.02.2024

In der organischen Chemie werden bei der Katalyse von Feinchemikalien üblicherweise Edelmetalle verwendet – die sind allerdings nicht ohne Probleme verfügbar. Platin und Palladium beispielsweise sind aufgrund ihres seltenen Vorkommens teuer, ihre Gewinnung ist aufwendig und setzt große Mengen des Klimagases CO2 frei. Zu den Zielen einer „grünen“ Chemie zählt es deshalb, in der metallorganischen Katalyse künftig auf solche Edelmetalle zu verzichten. Am Leibniz-Institut für Katalyse in Rostock entwickelte Dr. Johannes Fessler daher neue Wege für die Synthese von Arzneimittelvorstufen mittels Katalysatoren aus Eisen, Mangan und Kobalt.

Johannes Fessler hat seine Erkenntnisse im Rahmen seiner Dissertation gewonnen, die er im Januar verteidigte. In seinem aktuellen Bericht zu lesen ist zum Beispiel, wie aus „einfachen Ausgangsstoffen“ mit Hilfe eines säuretoleranten homogenen Eisenkatalysators und bei Raumtemperatur ein komplexer Wirkstoffkandidat basierend auf Pyrrol, einer üblichen Arnzeimittelvorstufe, entsteht.

„Homogene“ Katalyse heißt: Ausgangsstoffe, Katalysator, Lösungsmittel sowie am Ende auch Produkt und Nebenprodukt befinden sich gelöst in einem einzigen Reaktionsgefäß. Sie müssen demzufolge nach jedem Reaktionsschritt getrennt, gereinigt und für den nächsten Schritt vorbereitet werden, wie Dr. Fessler erläutert. „Wem es gelingt, im chemischen Prozess einen solchen Schritt einzusparen, mindert enorm den Aufwand an Zeit und Material und reduziert Abfall.“ Genau dies glückte ihm bei der Reaktion zum Pyrrol, und zwar durch eine Reaktionskaskade.

Im Forschungstrend: Nichtedelmetalle

Edelmetalle als Katalysatoren abzulösen und durch Eisen & Co zu ersetzen ist international zu einem attraktiven Forschungsthema geworden. Das LIKAT hat auf diesem Gebiet in den zurückliegenden Jahren eine starke Expertise aufgebaut. Johannes Fessler schätzt, dass ein Viertel seiner jungen Kolleginnen und Kollegen am Institut sich in ihren Promotionen mit der Nichtedelmetall-Katalyse befassen.

Zum einen helfen diese Arbeiten Ressourcen zu schonen. Dr. Fessler: „Der Auftrag klimaneutralen, nachhaltigen Wirtschaftens steht ja vor der Chemie-Industrie ebenso wie vor allen anderen Bereichen.“ Eisen ist reichlich vorhanden, sein Anteil an der Erdkruste beträgt fünf Prozent. Und Mangan ist nach Eisen und Titan das häufigste Übergangsmetall (dieser Name stammt vom Platz im Periodensystem) der Erde.

Zum anderen hat es seinen Grund, dass unedle Metalle bisher nur eine marginale Rolle in der Praxis der organischen Chemie spielen. „Sie verhalten sich in katalytischen Prozessen oft weniger stabil als Katalysatoren aus Edelmetall“, sagt Dr. Fessler. „Hinzu kommt, dass sie auf dem Gebiet, das ich erkunde, üblicherweise unter hohen Temperaturen und Drücken arbeiten.“ Solche harschen Bedingungen würden die komplexen Moleküle in der Arzneimittelherstellung jedoch zerstören. Gefährdet sind vor allem jene chemischen Strukturen, die für die spezifische Wirkung eines Medikaments sorgen, die sogenannten funktionellen Gruppen im Molekül.

Hohe chemische Präzision in der Umsetzung

Insofern ist es ein schöner Erfolg zeigen zu können, wie Katalysatoren aus Eisen, Mangan und Kobalt im Vergleich zur bisherigen Praxis teils mit bedeutend milderen Reaktionsbedingungen auskommen. Im Falle des Pyrrols sind es Temperaturen zwischen 20 und 30 Grad Celsius. Die Experimente von Johannes Fessler zeigten noch einen weiteren Vorteil seiner Vorgehensweise: Seine Nichtedelmetall-Katalysatoren setzten sehr präzise nur jene Moleküle um, auf die es den Chemikern in der konkreten Synthese ankommt. „Wir nennen diese Vorgehensweise hochselektiv. Sie verursacht kaum Nebenprodukte oder Abfälle.“

Johannes Fessler testete die zuverlässige Funktionsweise seiner Reaktion an unterschiedlichen Wirkstoffen und Arzneimittel-Vorstufen. „Wir wollten sicherstellen, dass der Eisenkatalysator auch bei diesen Substanzen die richtige Stelle im Molekül aktiviert und die sensiblen funktionellen Gruppen verschont.“ Auf diese Weise erprobte der Chemiker seine Methode u.a. an weit verbreiteten Cholesterinsenkern und Blutdruckmedikamenten.

Chemie-Exkurs: Kaskadenreaktion

Allen chemisch Interessierten sei abschließend ein Blick auf den konkreten Prozess gegönnt. Die eingangs erwähnte Kaskadenreaktion benötigt als Ausgangssubstanz eine stickstoffhaltige Substanz namens Nitroaren, die mittels Ameisensäure unter Einsatz eines kommerziell erhältlichen Eisenkatalysators im ersten Schritt hydriert wird und dann sofort eine Folgereaktion eingeht, indem sie Pyrrol bildet. Pyrrol ist eine gängige Feinchemikalie im Pharmabereich. Es zählt zu den Heterozyklen, ringförmigen Kohlenstoffverbindungen, bei denen ein Kohlenstoffatom (C) durch ein anderes Element, zum Beispiel Stickstoff (N), ersetzt ist.

Die Kaskadenreaktion umfasst zwei Schritte. Im ersten wird das Nitroaren zu einem Amin hydriert, auch Anilin genannt, quasi ein Benzolring mit einer Aminogruppe (NH2), der sofort eine Folgereaktion eingeht. In dieser Folgereaktion, dem zweiten Schritt also, wird die Aminogruppe mit einer Dicarbonylverbindung unter Wasserabspaltung umgesetzt. Es kondensiert damit zum Pyrrol.
Die Kaskade gelingt durch das saure Milieu, wofür die Ameisensäure in doppelter Funktion, als Reduktionsmittel sowie als Säure, verantwortlich ist. Es braucht hier allerdings einen Katalysator, der unter sauren Bedingungen gut arbeitet. Genau dies ist der Fall bei dem eingesetzten Eisen-basierten Katalysator von Johannes Fessler.

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