Dirk Hofmann, Dain „KI first“? Keine gute Idee!

Dirk Hofmann ist Mitgründer und CEO der international tätigen Beratungsfirma Dain Studios Deutschland. Als Experte für Daten- und KI-Strategie unterstützt er Unternehmen bei der Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle, Datenökosystemen und KI-basierten Diensten, um Daten und KI bestmöglich zu nutzen – und dabei stets Datensicherheit und Verbraucherrechte zu wahren.

Bild: Dain
26.10.2022

Denken Sie beim Stichwort Künstliche Intelligenz (KI) an eine Technologie, die einer Handvoll mutiger Vorreiter-Unternehmen dreistellige Wachstumsraten verspricht? Wenn ja, bitte lassen Sie das! Anstatt auf Daten und KI als Allheilmittel zu setzen, sollten Unternehmen ihre KI-Strategie erst einmal auf Geschäftsauswirkungen und Zusammenarbeit ausrichten.

Dies ist ein Weckruf an Unternehmen, Daten und KI als schlichtes Werkzeug zu begreifen, das den Arbeitsalltag erleichtert – nicht als Zauberstab, der schlagzeilenträchtige Entwicklungen und revolutionäre Geschäftsmodelle eröffnet. Meiner Erfahrung nach gelingt Unternehmen der datengetriebene Erfolg nur dann, wenn sie systematisch ihre konkreten Bedürfnisse identifizieren und sich genau vor Augen führen, wo und wie sie mit Hilfe von Daten und KI den Geschäftsalltag verbessern könnten. Die daraus resultierende Daten- und KI-Strategie muss sich allein auf diese klar definierten Ziele richten, sie darf sich nicht von technologischen Verheißungen ablenken lassen.

Hierzu muss ein Unternehmen erst einmal die eigene Datenreife feststellen. Wo kann KI für Einsparungen sorgen? Welche Routineaufgaben können Daten und KI übernehmen, um Erträge zu erhöhen und Kosten zu senken? Das sind unternehmerische Grundlagen, die nichts mit dem vermeintlichen Technik-Zauber zu tun haben.

Standardmäßige KI-Systeme können bei der Verschlankung von Logistik helfen, die passenden Vertriebsprozesse priorisieren, das Personalmanagement unterstützen, im Warenlager die Anordnung von Regalen und die Fahrtwege der Gabelstapler optimieren. Je mehr brauchbare Daten ein Unternehmen aus eigenen und fremden Quellen für diese Aufgaben zusammentragen kann, umso besser werden die Ergebnisse. Somit ist auch die menschliche Zusammenarbeit essenziell für eine gute Daten- und KI-Strategie. Unternehmen, die Daten aus unterschiedlichsten Quellen zielführend vermengen können, haben die Nase vorn. Dafür brauchen sie eine Datenkultur, die offener ist als traditionell.

Zunächst müssen alle Geschäftsbereiche bereit sein, ihre Daten intern zusammenzuführen und auszutauschen, anstatt sie in gesonderten „Silos“ eifersüchtig zu bunkern. Zweitens muss ein Unternehmen erkennen, dass es den Wert gemeinsamer Datenressourcen erhöhen kann, indem es anderen Unternehmen Zugang gewährt oder bei Bedarf selbst ergänzende Daten erwirbt. Zudem ermöglichen Partnerschaften mit anderen Unternehmen, Datenressourcen zu potenzieren und innovative neue Produkte zu entwickeln. Diesen Weg beschritt zum Beispiel der finnische Finanzdienstleister OP Financial.

In Zusammenarbeit mit Online-Händlern schuf das Unternehmen den Digitaldienst OP Lasku, der es Kunden sämtlicher heimischer Banken ermöglicht, Online-Einkäufe in Raten zu bezahlen. Das Forschungsinstitut IDC prognostiziert, dass sich das Volumen der weltweit erstellten, genutzten und gespeicherten Daten zwischen 2022 und 2030 fast verdoppeln wird – von schätzungsweise 97 auf 181 Zettabyte. Das heißt, das Potenzial für weitere Daten-Synergien wird sprunghaft wachsen.

Trotz aller Schlagzeilen über Unternehmen, die KI zum Geschäftsleitfaden erheben und mit anscheinend zukunftsweisender neuromorpher Hardware dreistellige Wachstumsraten erzielen, dürfen Sie zwei Erkenntnisse nie aus dem Blick verlieren: Der Einsatz von Daten und KI erfordert sowohl ein unerschrocken traditionelles Geschäftsdenken als auch eine ganz neue Kultur der Daten-Zusammenarbeit.

Vermeiden Sie daher das Prinzip „KI first“. Die Technik ist nicht Treiber Ihrer Unternehmensstrategie, sie ist ein Werkzeug, mit dem die Bedürfnisse Ihres Geschäfts erfüllt werden können. Das mag weniger aufregend klingen als die Suche nach dem völlig autonomen Fahrzeug, ist aber stets eine wahrlich profitable Einsicht.

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