Mehrere hunderttausend Euro Verlust pro Stunde sind keine Seltenheit: Versagt ein Maschinenteil seinen Dienst, drohen der Industrie immense Schäden. Ein zugesetzter Filter, eine gebrochene Dichtung, ein geplatzter Hydraulikschlauch – und schon steht die Anlage still. Auch ein unscheinbares Bauteil, das bislang ein Schattendasein führte, kann groß rauskommen und eine Kettenreaktion in Gang setzen. Wenn Ersatzbauteile erst geordert werden müssen oder wegen Lieferproblemen auf sich warten lassen, kann der Stillstand dauern.
„Solche Produktionsunterbrechungen sind für Unternehmen das Geschäftsrisiko Nummer eins“, sagt Professor Wolfgang Maaß. Mit seinem Forschungsteam arbeitet er an der Universität des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz daran, dass solche Kettenreaktionen gar nicht erst Fahrt aufnehmen: mit smarten Daten, die ohnehin anfallen, und die in der Zusammenschau tief blicken lassen.
Datensystem zur Stärkung von Resilienz
Hierzu entwickelt Maaß mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft ein Datensystem, mit dem Unternehmen potenzielle Störungen in der Produktion früh erkennen und bestmöglich abwenden können. „Unser Ziel ist es, die Widerstandskraft, die so genannte Resilienz der Unternehmen zu stärken, so dass sie sich flexibel an Veränderungen und Störungen anpassen und auch schwierige Situationen stabil überstehen können“, erklärt Wolfgang Maaß.
Das Bundeswirtschaftsministerium investiert zusammen mit beteiligten Unternehmen über zehn Millionen Euro in dieses Forschungsprojekt namens „Spaicer“, kurz für „Skalierbare adaptive Produktionssysteme durch KI-basierte Resilienzoptimierung“.
„Die zunehmende Digitalisierung macht für Unternehmer die Produktion komplexer und unübersichtlicher. Auch durch die wachsende Vernetzung innerhalb wie außerhalb eines Unternehmens sind die Folgen von Störungen nur schwer abschätzbar“, erklärt der Wirtschaftsinformatiker.
Für Künstliche Intelligenz sind die in der Produktion anfallenden digitalen Datenmassen und Zahlenkolonnen aber durchschaubar und höchst aufschlussreich: Für sie ist erkennbar, was auf Maschinen und Produktion zukommt. Die Forscherinnen und Forscher verknüpfen daher die Daten auf der Plattform, wo sie automatisiert verarbeitet werden.
Störungen klassifizieren und passende Maßnahmen empfehlen
Je mehr über die Maschinen selbst und darüber, was mit ihnen zusammenhängt, bekannt ist, umso mehr wird transparent, wann was wahrscheinlich passieren wird. So ändert eine Anlage im Laufe der Zeit zum Beispiel allmählich ihre Schwingungsfrequenz oder ihre Temperatur, was charakteristisch die Stadien bestimmter Störungen ankündigt.
Wenn Messdaten, die Sensoren in Fertigungsstraßen sammeln, Wartungsintervalle, Informationen über Ersatzteile und ihre Lebensdauer, Vergleichsdaten von Maschinen anderer Unternehmen, Analysen, die Störungen wie den Ausfall von Zulieferern vorhersagen, und vieles mehr pausenlos im Auge behalten werden, lässt sich daraus viel ablesen. Die Lage bleibt ununterbrochen unter Kontrolle und für Überraschungen ist weniger Raum.
Anhand der Daten und Informationen kann das Datensystem mit Methoden künstlicher Intelligenz und unterschiedlichen maschinellen Lernverfahren Störungen klassifizieren und passende Maßnahmen empfehlen. Die Algorithmen berechnen konkrete Lösungsvorschläge, die die Plattform an den Unternehmer weitergibt, zum Beispiel welche Ersatzteile zu ordern sind, oder frühzeitig alternative Lieferanten anzufragen. Dieser kann so durch vorausschauende Instandhaltung vorbeugen oder auf Störungen im Einzelfall mit größter Erfolgsaussicht reagieren.
„Hierbei geraten keine Betriebsgeheimnisse in Gefahr. Vorausschauend handeln zu können und Folgen miteinzubeziehen wird vielmehr zu einem Erfolgs- und Wettbewerbsfaktor für Produktionsunternehmen“, erklärt Wolfgang Maaß.
Hintergrund
Das Projekt „Spaicer“ ging als Leuchtturmprojekt aus dem KI-Innovationswettbewerb „Künstliche Intelligenz als Treiber für volkswirtschaftlich relevante Ökosysteme“ hervor. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Projekt (mit vollem Namen: Skalierbare adaptive Produktionssysteme durch KI-basierte Resilienzoptimierung) zusammen mit beteiligten Unternehmen mit mehr als zehn Millionen Euro.
An Spaicer sind neben dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) als Konsortialführer und der Universität des Saarlandes das Werkzeugmaschinenlabor (WZL) an der RWTH Aachen, das Institut für Technologie- und Innovationsmanagement der RWTH Aachen, die Universität Freiburg, die Technische Universität Darmstadt, die Otto Beisheim School of Management (WHU), deZem, Feintool, SAP, SCHOTT, SEITEC und SENSEERING beteiligt. Über 40 assoziierte Partner unterstützen das Projektkonsortium.
Hannover Messe
Das Team von Wirtschaftsinformatiker Wolfgang Maaß an der Universität des Saarlandes und am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) zeigt auf der digitalen Hannover Messe vom 12. bis 16. April, wie es mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft in der Industrie 4.0 für Transparenz sorgen kann.