Aktuell besitzt vor allem die generative KI ein hohes Potenzial, kognitive Tätigkeiten zu ergänzen oder komplett zu übernehmen. Laut Berechnungen des IWF sind 60 Prozent der Jobs in hoch entwickelten Ländern betroffen und nur bei der einen Hälfte dürfte sich der KI-Einsatz positiv auswirken. Bei der anderen – etwa den Mathematikern, den Programmierern oder den Buchhaltern – sieht es nicht ganz so rosig aus. Eine Entwicklung, die auch der Staat mit Skepsis verfolgt. Denn ein massiver Rückgang von Lohnsteuerzahlungen würde ein signifikantes Loch in die Staatskasse reißen. Entsprechend kam aus den Reihen der linken Parteien ein derzeit kontrovers diskutierter Vorschlag: Eine Sondersteuer auf Künstliche Intelligenz soll her. Doch wie sinnvoll ist ein solches Vorhaben?
Faire Verteilung?
Auch wenn es angesichts der aktuell schwierigen Haushaltsverhandlungen kein konkretes Vorhaben in der Koalition für die Umsetzung einer Abgabe auf Künstliche Intelligenz gibt, bekräftigt der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, gegenüber dem Handelsblatt: „Die Idee der KI-Steuer gleicht dem Konzept der Maschinensteuer.“ Um Millionen- oder sogar Milliardenlöchern in der Staatskasse zuvorzukommen, könnte eine entsprechende Abgabe der ursprünglichen Intention gemäß dazu dienen, die durch Künstliche Intelligenz erzielten Produktivitätsgewinne und wirtschaftlichen Vorteile gerecht auf die Gesellschaft zu verteilen.
Unternehmen, die stark in intelligente Systeme investieren und dadurch hohe Gewinne erzielen, schaffen eine Ungleichheit im Vergleich zu traditionellen Arbeitskräften, die tendenziell benachteiligt werden. Eine Steuer, so das Argument, könnte diese Disparität möglicherweise ausgleichen und wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen. Auch der Staat könnte dahingehend von der Implementierung profitieren, dass die Einnahmen sich zur Finanzierung öffentlicher Dienste und der Instandhaltung der Infrastruktur verwenden ließen, die durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung unter Druck geraten.
Bürokratische Hürden
Ganz so einfach ist es in der Praxis jedoch nicht. Innerhalb der Europäischen Union gibt es seit Mai 2024 einen einheitlichen Rechtsrahmen für KI. Als weltweit erstes Gesetz zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz klassifiziert der sogenannte AI Act entsprechende Technologien in vier Gruppen: Inakzeptables, hohes, begrenztes und minimales beziehungsweise kein Risiko. Damit fällt etwa Technologie, die dem Social Scoring oder der biometrischen Identifizierung dient, in die erste Kategorie und ist damit grundsätzlich verboten. Hochrisikosysteme wie im Bereich der zivilen Luftfahrt oder der kritischen Infrastruktur unterliegen einer strengen Kontrolle.
In der dritten Kategorie finden sich generative KI-Modelle wieder. Dazu zählen beispielsweise Chatbots oder LLMs zur Erstellung von Texten, Audios oder Bildern. Sie durchlaufen eine gründliche Prüfung und unterliegen, neben Transparenzanforderungen bezüglich der verwendeten Daten, einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Bei Technologien, die gemäß EU-Verordnung kein oder nur ein minimales Risiko darstellen, also in Spam-Filtern oder Videospielen, sieht das Gesetz keine weiteren Kontrollmechanismen vor. Es gelten lediglich freiwillige Verhaltenskodizes. Gleichzeitig lässt der Rechtsrahmen einige Fragen offen – insbesondere, wenn es um eine belastbare Definition von Künstlicher Intelligenz geht. Im AI Act ist KI „ein maschinengestütztes System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann“ (Gesetz über Künstliche Intelligenz, Art. 3 Abs. 1, 2022).
Neben hoch entwickelten, spezialisierten Systemen wie ChatGPT schließt diese Einordnung allerdings auch weitverbreitete Technologien wie Foto-Filter und Saugroboter ein. Zur Umsetzung einer KI-Steuer bedarf es aber einer genauen Differenzierung. Das beginnt mit der Frage: Welche Formen von Künstlicher Intelligenz sollen unter welchen Bedingungen besteuert werden? Als mögliche Lösung dieses Dilemmas brachte der Vize-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Audretsch, im Gespräch mit dem Handelsblatt zwar vor, nur jene Großkonzerne besteuern zu wollen, die KI selbst vermehrt einsetzen oder verkaufen. Allerdings wirft das in einer zunehmend globalisierten Welt neue Fragen auf. Steuerlich relevant dürfte dabei vor allem sein, ob der Unternehmenssitz oder das Land, in dem die Umsätze entstehen, maßgeblich sein soll.
Falsch, falscher, KI-Steuer – Gekommen, um zu bleiben
In der KI-Steuer-Debatte ist aktuell nicht nur die schwammige Rechtslage problematisch. Kritische Stimmen meldeten sich vor allem aus der Wirtschaft. Beispielsweise bewertet der Handelsverband Deutschland eine solche Abgabe als falschen Ansatz. Es komme in der derzeitigen Entwicklungsphase vielmehr darauf an, den Einsatz künstlicher Intelligenz zu fördern und Unternehmen in ihrem Engagement zu unterstützen, heißt es in einer Meldung. Ähnlich fällt auch das Urteil des IWF aus. Als Industriestandort sei Deutschland darauf angewiesen, den technologischen Fortschritt zu unterstützen, um im internationalen Wettbewerb seine Führungsposition zu halten. Eine KI-Steuer würde eher Anreize für Investitionen nehmen und Innovationen insgesamt ausbremsen. Dadurch verlöre der Wirtschaftsstandort insgesamt an Attraktivität, was laut Expertenmeinung des IWF Abwanderungen ins Ausland und Arbeitsplatzverluste nach sich zöge.
Egal wer sich in der Debatte um die Besteuerung von (intelligenten) Maschinen durchsetzt, in einem Punkt sind sich alle einig: Die disruptive Kraft der KI hat das Potenzial, etliche Branchen umzukrempeln. Entsprechend müssen jetzt Vorbereitungen getroffen werden. Als Alternative zur KI-Steuer empfiehlt beispielsweise der IWF gezielte Fördermaßnahmen. Up- und Reskilling-Programme könnten Arbeitnehmer auf neue Tätigkeiten vorbereiten, die durch Automatisierung und Künstliche Intelligenz entstehen, und so nicht nur potenzielle Arbeitsplatzverluste abfedern, sondern auch die staatliche Liquidität sichern.
Gleichzeitig geht der IWF davon aus, dass sich durch das gezielte Vorantreiben der Digitalisierung neue Wirtschaftszweige eröffnen, die ihrerseits neue Arbeitsplätze schaffen. Entsprechend sollten Schulen und Universitäten schon jetzt flexible Bildungspläne entwickeln, um Absolventen besser auf die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts vorzubereiten. Eine weitere Option, um den Staatshaushalt krisensicher aufzustellen und Arbeitnehmer zu entlasten, bildet die Umverteilung von Steuerlasten. Hier plädieren die Wirtschaftsexperten für eine Senkung der Lohnsteuer sowie eine Anhebung der Besteuerung von Kapitalerträgen. Zusätzlich könnte die gezielte Förderung von Branchen mit hohem Arbeitskräftebedarf, wie Pflege und Betreuung, dazu beitragen, sowohl die drohende Massenarbeitslosigkeit als auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen.