Technologische Entwicklungen in der Leistungselektronik sind nicht nur eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen der Energiewende, sie unterstützen auch nachhaltig die wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF entwickelt leistungselektronische Bauelemente auf Basis des Wide-Bandgap-Verbindungshalbleiters Galliumnitrid (GaN), um Weiterentwicklungen in der elektrischen Mobilität, der Energiewirtschaft und Klimatechnik zu ermöglichen.
Zuletzt hat das Fraunhofer IAF signifikante Fortschritte bei Hochvolt- und Niedervolt-Bauelementen erzielt: Auf der PCIM Europe 2025 präsentieren Forschende einen hochintegrierten bidirektionalen Schalter (MBDS) mit einer Sperrspannung von 1.200 V. Außerdem stellen sie die Verwendung eines konventionellen GaN-Transistors mit einem Gate-Kontakt als bidirektionalen Schalter in einem 3-Level-T-Type-Wandler vor. Beide Ergebnisse wurden im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Projekts GaN4EmoBiL erzielt.
Effiziente Leistungselektronik unterstützt die Energiewende und setzt wirtschaftliche Impulse
„Geopolitische Herausforderungen wie die aktuellen Zollkonflikte sind eine Chance für die europäischen Volkswirtschaften, in den Schlüsselbereichen Energieerzeugung und Mobilität durch eigene Lösungen in der Leistungselektronik technologische Vorteile zu erzielen“, betont Achim Lösch, Business Developer für Hochfrequenz- und Leistungselektronik am Fraunhofer IAF.
„Der Mehrwert innovativer Leistungselektronik liegt auf der Hand: Gleichzeitig mehr Leistung, bessere Effizienz und höherer Kompaktheit zu erreichen, bringt die relevanten Zukunftstechnologien nach vorne: E-Autos laden schneller und Energie aus erneuerbaren Quellen kann effizienter gewandelt und gespeichert werden. Am Fraunhofer IAF arbeiten wir intensiv daran, durch innovative GaN-basierte Bauelemente positive Impulse in diesen wichtigen Bereichen zu setzen“, erklärt Lösch.
Bidirektionaler 1.200-V-GaN-Schalter (MBDS) mit integrierten Freilauf-Dioden
Forschende des Fraunhofer IAF haben einen für die Spannungsklasse von 1.200 V geeigneten GaN-MBDS mit integrierten Freilauf-Dioden entwickelt und erfolgreich in die eigene GaN-Technologie integriert. Für die Herstellung nutzten die Forschenden die neue GaN-on-Insulator-Technologie des Fraunhofer IAF: Hochisolierendes Material wie Siliziumcarbid (SiC) und Saphir wird als Trägersubstrat des GaN-Leistungshalbleiters genutzt, um die Isolation zwischen den Bauelementen zu verbessern und die Durchbruchspannung zu erhöhen.
Der MBDS sperrt Spannung und leitet Strom in zwei Richtungen, was sowohl Chipfläche spart als auch Leitverluste reduziert, da es nur eine geteilte Verarmungszone gibt. Zum Einsatz kommen kann der GaN-MBDS in netzgeführten Gleich- und Wechselrichtern für die Energieerzeugung und -speicherung sowie in elektrischen Antriebsystemen. In diesen Anwendungen ermöglicht er die Entwicklung von Systemen im Hochvoltbereich der 1.200-V-Klasse.
An Elektrofahrzeugen in dieser Spannungsklasse arbeiten Entwickler intensiv, da steigende Sperrspannungen mit deutlichen Vorteilen in der Alltagstauglichkeit einhergehen: Die Ladeleistung steigt und die Energieverluste im Betrieb sinken infolge geringerer Widerstände. Aktuell dominieren E-Autos mit 400 V den Markt, die 800-V-Technik gewinnt zunehmend Anteile. Der Sprung auf 1.200 V wirkt sich positiv auf die Langstreckentauglichkeit von E-Autos und den Nutzwert elektrischer Lastkraftwagen aus.
Einzel-Gate-GaN-HEMT als bidirektionaler Schalter im Niedervolt-Bereich
Auch bei Sperrspannungen bis 48 V hat das Fraunhofer IAF Fortschritte im Bereich der Multi-Level-Wandler mit bidirektionalem Schalter gemacht: Forschende haben einen herkömmlichen Einzel-Gate-HEMT (Transistor mit hoher Elektronenbeweglichkeit) auf Basis der Verbindungshalbleiter-Heterostruktur Aluminiumgalliumnitrid/Galliumnitrid (AlGaN/GaN) in einem Niedervolt-3-Level-T-Type-Wandler als bidirektionalen Schalter genutzt und damit eine einfachere Ansteuerung des Transistors erzielt als mit einem bidirektionalen Transistor mit zwei Gates für solche Topologien. Der innovative Ansatz ermöglicht wie der 1.200-V-MBDS neben einem flächeneffizienten Bauelementdesign eine einfachere Ansteuerung.
PCIM Expo: GaN-Leistungselektronik-Portfolio entlang der Halbleiter-Wertschöpfungskette
Neben den Entwicklungen im Bereich der bidirektionalen Schalter arbeiten Forschende des Fraunhofer IAF entlang der gesamten Halbleiter-Wertschöpfungskette an Materialien, Bauelementen, Modulen und Sub-Systemen für die GaN-basierte Leistungselektronik in den Spannungsklassen 48 V, 100 V, 200 V, 600 V, 1.200 V. Aktuell im Fokus stehen dabei laterale und vertikale Bauelemente, die monolithische Integration und hochisolierende Substrate wie Saphir oder SiC. Neben den bei der PCIM 2025 vorgestellten Ergebnissen arbeitet das Fraunhofer IAF bereits an Bauelementen der 1.700-V-Klasse.
Eine Übersicht des Forschungs- und Entwicklungsportfolios in der Leistungselektronik bietet das Fraunhofer IAF vom 6. bis 8. Mai auf der PCIM Expo in Halle 6, Stand 260. Ausgestellt werden unter anderem ein epitaxierter 8-Zoll-GaN-Wafer, prozessierte 4-Zoll-GaN-auf-SiC- und GaN-auf-Saphir-Wafer, GaN Power ICs, integrierte laterale und vertikale GaN-Bauelemente und 600-V-Halbbrücken-Module auf GaN-Basis.