Grüner Wasserstoff, der aus erneuerbaren Energien hergestellt wird, gilt als Schlüsseltechnologie für eine klimaneutrale Zukunft. Doch wie realistisch ist ein rascher Marktdurchbruch – und wie gut sind Deutschland und Europa aufgestellt? Diese Fragestellungen standen im Mittelpunkt eines Fachseminars des Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger (BVS) in der Referenzfabrik.H2 des Fraunhofer IWU in Chemnitz. Wissenschaftliche und industrielle Experten analysierten die wirtschaftlichen, technischen und politischen Herausforderungen, die auf dem Weg zu einer leistungsfähigen Wasserstoffwirtschaft zu bewältigen sind.
Hohe Nachfrage – Begrenztes Angebot
„Die Nachfrage nach grünem Wasserstoff steigt, doch Produktion und Verfügbarkeit hinken hinterher", erläutert Dirk Hennig, Bundesfachbereichsleiter Maschinen, Anlagen, Betriebseinrichtungen beim BVS. „Deutschland benötigt bis 2030 rund 4,5 Millionen t Wasserstoff – weltweit werden derzeit lediglich etwa eine Million Tonnen produziert. Unsere Aufgabe als Sachverständige besteht darin, Innovationen objektiv zu bewerten und belastbare Fakten für fundierte Entscheidungen bereitzustellen. Es reicht nicht, lediglich grüne Wasserstoffprojekte zu fördern – wir müssen die gesamte Lieferkette wirtschaftlich tragfähig gestalten, um eine flächendeckende, marktreife Versorgung sicherzustellen.“
Einsatzbereiche und Praxisbeispiele
Obgleich Wasserstoff für viele noch ein abstraktes Thema darstellt, zeigt sich bereits heute eine vielfältige Anwendungspraxis:
Mobilität: Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge bieten eine emissionsfreie Alternative zu herkömmlichen Antriebssystemen und könnten insbesondere im Schwerlastverkehr von Bedeutung sein.
Industrie: In der Stahlproduktion ersetzt Wasserstoff zunehmend kohlenstoffbasierte Reduktionsverfahren und senkt so die CO2-Emissionen. Auch in der chemischen Grundstoffherstellung findet Wasserstoff Anwendung.
Gebäudetechnik: Erste Projekte belegen den Einsatz von Wasserstoff zur Wärmeversorgung in Wohn- und Industriegebäuden.
Energieversorgung: Pilotprojekte untersuchen den Einsatz von Wasserstoffspeichern als integralen Bestandteil der Sektorenkopplung, also der Verbindung von Strom, Wärme und Mobilität.
So ambitioniert sind die deutschen Wasserstoff-Ziele
Deutschland verfolgt ehrgeizige Ziele im Bereich Wasserstoff. Nach aktuellen Plänen der Bundesregierung soll bis 2030 eine Erzeugungskapazität von 10 GW für grünen Wasserstoff aufgebaut werden. In der Referenzfabrik.H2 in Chemnitz arbeiten Experten an industriellen Lösungen zur Massenfertigung von Elektrolyseuren und Brennstoffzellen.
„Gleichzeitig stehen wir jedoch vor einigen wesentlichen Herausforderungen“, so Dr.-Ing. Ulrike Beyer, Expertin für Wasserstofftechnologien beim Fraunhofer IWU in Chemnitz: „Die hohen Investitionskosten und begrenzten Produktionskapazitäten erschweren eine flächendeckende Versorgung. Zudem erfordert die spezifische Physik von Wasserstoff neue Sicherheitskonzepte für den Transport und die Speicherung des Gases. Und nicht zuletzt müssen wir eine sichere und leistungsfähige Infrastruktur aufbauen, um die Lieferketten langfristig zu sichern.“
Unabhängige Expertise Sachverständiger als wirtschaftlicher Impulsgeber
Der BVS, als Verband qualifizierter Sachverständiger, liefert belegte und praxisorientierte Bewertungen für technologische Innovationen. „Wir werden von Unternehmen und Behörden zu Wasserstofffragen konsultiert – unsere Aufgabe ist es, faktenbasierte Antworten zu liefern“, erklärt Dirk Hennig.
Das Fachseminar in Chemnitz verdeutlicht, dass grüner Wasserstoff großes Potenzial bietet, jedoch nur durch realistische Planung und wirtschaftliche Skalierbarkeit zu einem integralen Bestandteil der Energiewende werden kann. Die BVS plant weitere Fachveranstaltungen, um die neuesten Entwicklungen in der Wasserstoffwirtschaft kritisch zu begleiten.